Abschluss- und Auftaktveranstaltung Gymnasium Sarstedt

Gymnasium Sarstedt. SARSTEDT. In den letzten zwölf Monaten hat das Gymnasium Sarstedt mit Unterstützung des Landkreises Hildesheim das pädagogische Konzept für einen Schulneubau entwickelt. Bereits im letzten Jahr hatte der Kreistag einen Neubau für rund 30 Millionen Euro beschlossen. Das Gebäude soll etwas versetzt Richtung Busbahnhof neben der derzeitigen Schule errichtet werden, die im Anschluss abgerissen wird. Wie Gebäude und Außengelände aussehen sollen und wie dort die Räume aufgeteilt werden, ist noch offen, konkrete Pläne gibt es noch nicht. Diejenigen, die die Schule nutzen werden, also Schüler und Lehrer, machen bei dem Prozess mit. Gemeinsam mit den Fachleuten haben sie zu verschiedenen Fragen grundlegende Ideen formuliert. Wichtig war den Teilnehmern an der Vorplanung unter anderem zu hinterfragen, wie zeitgemäßer Unterricht aussehen kann. Wie gestaltet sich für Schüler und Lehrer der Lebensraum Schule? Wie sollten Räume beschaffen sein? Eins war allen klar: Schule im 21. Jahrhundert muss anders aussehen als Schule im 19. Jahrhundert. An den eigentlichen Unterrichtsgegebenheiten hat sich nämlich über 100 Jahre lang kaum etwas geändert, während sich die Lehr- und Erziehungswissenschaften stark weiterentwickelt haben.

Neue Zeit, neue Konzepte
Ein eigener pädagogischer Plan und das zugehörige Raumkonzept sind nun fertig. Stefan Niemann von der Firma SICHT.weise aus Verden und Tobias Kister vom Bremer Architekturbüro Feldschnieders und Kister haben in der vergangenen Woche der Öffentlichkeit die erarbeiteten Ergebnisse der „Phase Null“ vorgestellt. Zu der Präsentation eingeladen waren alle Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler sowie Eltern und allgemein Interessierte. Christine Klein, Schulleiterin des Gymnasiums Sarstedt, nennt das vorläufige Arbeitsergebnis einen „Schulbau, in dem sich alle wohlfühlen können“. Aber der neue Bau soll weit über das Ermöglichen einer Wohlfühlatmosphäre hinausgehen. In Sarstedt soll ein Gymnasium für die Zukunft entstehen, das auch für andere Bildungseinrichtungen als Vorbild dienen kann. Selbst haben sich die Planer aber auch großräumig umgesehen, um Anregungen und Positivbeispiele zu sammeln. So sind beispielsweise skandinavische Bildungsansätze mit eingeflossen. Auch die „Lernhaus im Campus“ Oberschule in Osterholz-Scharmbeck – ein Kister-Projekt – wurde begutachtet. Grundsätzlich wird es darum gehen, wie junge Menschen gestärkt werden, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um Bildung möglich zu machen. Geschaffen werden soll eine Schule, die auch eine ganzheitliche Persönlichkeitsentwicklung ermöglicht. In baulicher Sicht geht es auch um die Frage, wie das Raumklima das Lernklima beeinflusst. Die Schulbauten der Gegenwart sind noch immer vom Frontalunterricht des letzten Jahrhunderts geprägt. Längst sieht die Realität im Schulalltag anders aus: Es wird viel selbstständig in Projektgruppen gearbeitet. Oft werden Teams über Jahrgänge hinweg gebildet und Inklusion, also die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, ist ebenfalls Normalität. Die Schüler sind zudem im Regelfall über die Mittagszeit in der Schule, werden also verköstigt und brauchen auch Erholungsphasen. Ein wichtiger Faktor im modernen Unterricht ist die Mediennutzung. Auch das gilt es bei der Planung eines Schulgebäudes zu beachten. Und Klassenräume müssen nicht zwangsläufig wie althergebrachte Klassenräume aussehen. So sollte insbesondere dem anatomischen und geistigen Wachsen von Schülern Rechnung getragen werden. Mit steigendem Alter kann sich der Unterrichtsraum anpassen. Mehr Individualität und eine Hinwendung zu digitalen Komponenten sowie selbstständigem Lernen scheint logisch. Architekt Kister erklärt, welchen Raum das Lernen künftig braucht: „Es wird eine Clusterstruktur geschaffen mit einer zentralen Mitte. Die wird, je älter die Schüler werden, immer größer, hin zu einer Lernlandschaft.“ Abtrennbar sei der Raum dann durch mobile Wände. „Wichtig ist für uns, zu verstehen, wie Lernen eigentlich funktioniert. Wie laufen die Aktivitäten ab, wie kann man ihnen einen angemessenen Rahmen geben?“, fragt der Planer. Das klassisch „preußische“ Klassenzimmer mit einem Flur als Fluchtweg wird es bei modernen „Lernzonen“ nicht mehr geben. „Die zentrale Mitte wird transparent sein, als Präsentationsfläche und Rechercheort dienen“, erklärt Kister das Modell, das in Sarstedt entstehen soll.

Weg vom Lehrerzimmer
Auch das Arbeitsumfeld der Lehrkräfte wird sich radikal ändern: Lehrerzimmer haben bald endgültig ausgedient. Die Entwicklung führt wie in der allgemeinen Arbeitswelt hin zu Bürolandschaften, zu „Coworking-Spaces“. Jetzt geht es mit einem Architektenwettbewerb weiter. In dem Anforderungsprofil für die erwarteten Entwürfe werden die Ergebnisse der Schüler-Lehrer-Arbeitsgruppe mit einfließen. Die Ergebnisse sollten dann eine Schule zeigen, die immer noch Wissen vermittelt aber anders aussehen wird. Zum Schuljahr 2024/2025 könnte der neue Lernort fertig sein.

Von Heiko Stumpe
LANDKREIS HILDESHEIM
KEHRWIEDER am Sonntag 1./2. Juni 2019

 

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